Ich sitze aufrecht am Tisch, so wie ein wacher Mensch eben sitzt. Aufrecht, mit ehrlichem Blick. In Gedanken vertieft. Alle Gedanken, die kommen, sind roh und echt. Nichts verfälscht. Denke ich zumindest. Nur auf diese Art will ich hier schreiben. Denn nur diese Art zu schreiben erlebe ich als ansprechend, also soll dies mein Anspruch sein. Ich halte an keinem Gedanken fest, auch verbieten will ich keinen. Ich lasse sie kommen und gehen, lasse alle gleichermaßen gelten, schätze alle gleichermaßen wert. Ich halte mich ihnen gegenüber mit liebevoller Gleichgültigkeit. Gleichzeitig versuche ich sie durch das Schreiben für mich und euch abzubilden, jeden einzelnen von ihnen, in der Reihenfolge, in der sie kommen, den ganzen Strom, die ganze Geschichte, die sie von sich aus zu erzählen scheinen. Ich will dranbleiben, bei der Sache bleiben, was immer auch die Sache ist. Es ist mir ein Bedürfnis, eine Notwendigkeit, eine Not, dieser Sache zu einem passenden Ausdruck zu verhelfen. Gerade ist Ernsthaftigkeit. Gerade ist Leid. Gerade ist das Schreiben ein geeigneter Kanal für das, was durch mich hervorkommt. Ich schreibe also aus Leidenschaft.
Ich weiß schon was am anderen Ende wartet; der Humor. So geht es immer vor sich und um sich in einem gesunden Geist. Formen wechseln sich ab, werden einst tief und ernsthaft, leidvoll gefühlt und, sobald sie ganz gelebt, ganz gelitten, ganz vorüber sind, erscheinen sie auf einmal fremd, wie aus einem vergangenen Leben. Denn sie sind vergangenes Leben. Darüber könnte man nun ins Grübeln geraten oder, wie in einem gesunden Geist der Umgang herrscht: man lacht darüber und schreitet weiter seines Weges, heiter und offen für neue Eindrücke, für neue Welten, für neues Leben, für neues Leid, für neue Ernsthaftigkeit. Es ist ein Spiel. Sie wechseln sich ab. Sie brauchen einander. Es gibt keinen ohne den Anderen. Sie bilden eine Einheit und doch sind sie zwei: Der Humor und die Ernsthaftigkeit. Lustig ist jetzt das, was davor ernst war. Wenn davor nichts ernst war, ist jetzt auch nichts lustig. Gut also, die Dinge manchmal ernstzunehmen.
Ich halte nochmal fest: Gesundheit ist ein Umgang. Einen guten Umgang habe ich heute gefunden. Und ich bin immer noch dabei ihn zu finden. Ich finde ihn immer wieder. Mal ist es das Schreiben. Mal das Sprechen. Mal das Rennen. Mal das Trinken. Mal das Essen. Mal das Schauen. Mal das Lachen. Mal das Weinen. Mal das Bewusstwerden.
So lässt es sich gut leben. Nah am Lebendigen dran, viel Spaß haben und doch immer wieder, mit angemessener Ernsthaftigkeit, auf die Sache zurückkommen, die man auf die Beine stellen will. Sie darin aber auch nicht zu ernst nehmen. Wenn mal etwas schiefläuft, darf ehrlich getrauert, dann darüber gelacht, dann sich etwas treiben gelassen werden, um später wieder, mit neuem Ernst, zurückzukehren, heimzukehren zu der Sache, die man auf die Beine stellen will. Wir Gesunden können sagen: „Wir versuchen hier was zu machen! Und haben noch Spaß dabei! Wir lassen uns treiben, lassen uns leben und kommen immer wieder auf diese Sache zurück, die wir hier machen.“
Heute wurde viel Leben gelebt. Viel gesehen, viel gelernt, viel gelacht, etwas geweint auch. Heute aber stand die Freude und die Spannung im Vordergrund. Die Spannung als Grund zur Freude. Spannung oder Anspannung ist nicht etwas, das erst vorübergehen muss, damit ein freier Ausdruck möglich ist. Im Gegenteil: Die Spannung ist das, was es auszudrücken gibt. Und sie verschwindet – entspannt sich – durch den Ausdruck. Wenn man angespannt ist, dann ist eine gute Frage: „Was gibt es zu sagen oder zu tun und mit wem?“ Spannungen sind wie Wellen die, ähnliche wie ein Surfer es tut, abgefahren werden können. Im Abfahren liegt der Ausdruck. Das kann alleine oder gemeinsam passieren. Manchmal braucht man einen anderen Menschen, um eine Spannung ganz abzufahren, ganz auszudrücken, ganz zu lösen; zu er-lösen. Ein gegenseitiges erlösen von Spannungen, von Knoten, eine Art Massage; Das ist es, was wir füreinander und miteinander tun können. Und wenn für den Moment einmal alle Spannungen abgefahren ist, erfreuen wir geneinsam der Erlösung, Entspannung und Heiterkeit, mit Vorfreude und Vorlust auf einen neuen Tag. All-so geht es um, in einem gesunden Geist.
Am Ende setzt man sich so lange mit einer Sache, einer Spannung, auseinander, wie es braucht, um sie ganz zu lösen. Mit irgendetwas muss man sich schließlich auseinandersetzen. Das ist Leben.
Die Gedanken finden sich zu einer Antwort zusammen:
„Lass dir Zeit aber wisse auch, wenn eine Auseinandersetzung vorbei ist, ist Raum für eine Neue. Bist du bereit, hast du Lust auf etwas Neues? Eine ehrliche Frage auf die ich nichts anderes als eine ehrliche Antwort suche. Ich bin die Welt. Ich habe Zeit. Bin Leben, bin Tod, bin Fülle, bin Leere; Bin Ewigkeit.“